Gefühle verstehen statt bewerten – Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis
Stell dir vor: Du schreibst einer Freundin eine Nachricht – und als Antwort kommt nur ein knappes „OK“. Sofort rattert dein Kopf: „Oh nein, sie ist sauer auf mich …“. Aber ist das wirklich so? Oft reagieren wir nicht auf das, was tatsächlich passiert ist, sondern auf das, was wir hineininterpretieren. Darum geht’s in dieser Folge: Wie wir Gefühle erkennen und benennen, statt in Bewertungen oder Vorwürfe zu rutschen – und wie das unser Miteinander sofort verändern kann.
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Schnelle Zusammenfassung
- Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall Rosenberg
- Gefühle erkennen, benennen und in Ich-Botschaften ausdrücken
- Vier Schritte: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte
- Bonus: Gefühlsliste – echte Gefühle vs. Pseudogefühle
Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GfK)?
Begründer: Marshall B. Rosenberg, Psychologe, Mediator und Trainer. Ziel: Verbindung schaffen statt Verteidigung, Klarheit statt Schuldzuweisung.
- Beobachtung – Was ist konkret passiert? (ohne Bewertung)
- Gefühl – Was löst es in mir aus? (ehrlich benennen)
- Bedürfnis – Was steckt hinter diesem Gefühl?
- Bitte – Was wünsche ich mir konkret und machbar?
Gefühle verstehen und nutzen
Gefühle sind Signale unserer Bedürfnisse – ein inneres Ampelsystem. Je genauer du sie benennst, desto leichter erkennst du, was du brauchst.
Echte Gefühle: traurig, entspannt, wütend, dankbar, unsicher, erleichtert
Pseudogefühle: angegriffen, missverstanden, hintergangen – das sind versteckte Vorwürfe.
Gefühle als Türöffner statt Stolperstein
- Türöffner: „Ich bin enttäuscht, weil mir Ehrlichkeit wichtig ist.“ → weckt Empathie
- Stolperstein: „Du enttäuschst mich immer!“ → löst Abwehr aus
Vorwürfe bringen Menschen in den Verteidigungsmodus. Ich-Botschaften halten den Gesprächsraum offen.
Praxisbeispiele
- Alltag: ❌ „Du hörst mir nie zu!“ → ✅ „Ich fühle mich übergangen, weil mir wichtig ist, dass meine Meinung gehört wird.“
- Beruf: ❌ „Dieses Projekt ist total chaotisch!“ → ✅ „Ich bin verunsichert, weil mir klare Absprachen wichtig sind.“
- Beziehung: ❌ „Du bist nie für mich da.“ → ✅ „Ich fühle mich allein, weil mir gemeinsame Zeit wichtig ist.“
Mitmach-Teil – Werde Gefühlsdetektiv
Ergebnis: Du hast gerade die 4 Schritte der GfK durchlaufen. Merkst du, wie sich dein Blick auf die Situation verändert?
Bonus: Gefühlsliste – Echte Gefühle vs. Pseudogefühle
Echte Gefühle
Wenn Bedürfnisse erfüllt sind: froh, erleichtert, dankbar, zufrieden, neugierig, inspiriert, gelassen, sicher, geborgen.
Wenn Bedürfnisse nicht erfüllt sind: traurig, enttäuscht, ängstlich, besorgt, wütend, frustriert, unruhig, erschöpft, entmutigt.
Pseudogefühle
angegriffen, abgelehnt, missverstanden, manipuliert, ignoriert, hintergangen, kontrolliert, provoziert, im Stich gelassen.
Warum vermeiden? Pseudogefühle sagen oft mehr darüber, was wir jemand anderem unterstellen, als darüber, wie es uns wirklich geht.
Fazit
Gefühle sind kein Zeichen von Schwäche – sie sind ein innerer Kompass. Wenn du sie wertfrei benennst, öffnest du Gesprächsräume. Probiere es aus: Ersetze „Du machst mich …“ durch „Ich fühle mich …, weil mir … wichtig ist.“